Der richtige Mix für klare Vocals: So hebst du deine Stimme im Song hervor
In diesem Artikel zeige ich dir, wie du Vocals so mischst, dass sie lebendig und durchsetzungsstark klingen. Du erfährst, wie EQ, Kompression und Effekte helfen, deine Stimme im Mix klar und präsent zu halten.
Lesezeit ca. 7 min
Tipps und Techniken, wie du Vocals im Mix lebendig und klar in Szene setzen kannst
Inhaltsübersicht
- Die Bedeutung der Balance: Vocals im Gesamtmix
- EQ richtig nutzen: Räume schaffen, wo sie gebraucht werden
- Kompression für einen stabilen und kraftvollen Sound
- Automatisierung und Lautstärken-Anpassung
- Hall und Delay: Stimmung schaffen ohne Klangbrei
- Extras: De-Essing und harmonische Effekte
- Zusammenfassung
1. Die Bedeutung der Balance: Vocals im Gesamtmix
Die Vocals stehen im Mittelpunkt deiner Songs – sie erzählen auf besonders emotionale Art und Weise deine Geschichten und Botschaften. Aber wie schafft man es, dass die Stimme im Mix nicht unter geht? Ein Schlüssel liegt in ausgewogenen Lautstärkenverhältnissen. Bevor du mit EQ und Effekten loslegst, achte darauf, dass alle Instrumente harmonisch zusammenwirken und genug Platz für die Stimme lassen. Dabei muss die Stimme nicht immer das lauteste Element in deinem Mix sein.
Überlege: Welches Instrument steht im Vordergrund, welches im Hintergrund? Wo soll die Stimme in diesem Kontext stehen, wo die Backings? Je besser du diese Fragen beantwortest, desto klarer weißt du, wie du die Lautstärkenverhältnisse setzen musst. Dabei gibt es grundsätzlich kein Richtig und Falsch wie laut etwas im Mix sein sollte. Hast du aber das Gefühl, die Stimme muss gegen die anderen Elemente in deinem Mix kämpfen, dann ist sie mit Sicherheit zu leise. Dass heißt, setze die Lautstärke der anderen Instrumente so, dass sie die Vocals unterstützen, aber nicht überdecken.
Nutze außerdem den Panorama-Regler, um den Mix zu „öffnen“ und der Stimme Raum zu geben. Panne Instrumente, die der Stimme am ähnlichsten klingen eher nach rechts oder links (z. B. Gitarren, Saxofon). Die Hauptstimme bleibt in der Regel in der Mitte. So sorgst du für einen harmonischen Grundmix und schaffst eine stabile Basis für deine Vocals.
2. EQ richtig nutzen: Räume schaffen, wo sie gebraucht werden
Der EQ (Equalizer) ist dein bester Freund, wenn es darum geht, den richtigen (Frequenz-)Platz für die Stimme im Mix zu finden. Doch wie setzt du ihn richtig ein?
Zuerst solltest du die störenden Frequenzen eliminieren, die den Klang deiner Stimme „matschig“ wirken lassen. Der Bereich unter 90 Hz -130 Hz kann mit einem „Low-Cut“-Filter beschnitten werden. Tiefere Stimmen (eher Männer) werden dabei weiter unten beschnitten, Höhere (eher Frauen) etwas weiter oben.
Im nächsten Schritt entfernst du alle Resonanzen aus den Vocals. Das sind die Frequenzen in der Stimme die überbetont werden. Sie fallen durch einen klirrenden, tonartigen, eben resonierenden Sound auf. Resonanzen treten oft bei stimmhaften Vokalen und Konsonanten auf. Erfahrene Audio Engineers hören Resonanzen sofort raus. Auch du kannst Resonanzen mit etwas Übung und der Sweep-Technik schnell finden und beseitigen. Dazu hebst du eine Frequenz schmalbandig mit deinem EQ an (großer q-Faktor und +3 bis +6dB lauter). Während du die Stimme solo anhörst, fährst du mit dem EQ alle Frequenzen von tief bis hoch ab. Da wo ein besonders lauter, durchdringender Ton zu hören ist, liegt wahrscheinlich eine Resonanz vor. Senke das EQ-Band wieder auf Null dB ab. Höre dann deine Stimme im Gesamtkontext der Musik an und senke die zuvor ausgewählte Frequenz ab, bis die Resonanz nicht mehr unangenehm auffällt.
Aber Achtung: Grundsätzlich solltest du beim EQing von Stimmen eher weniger als zuviel machen. Denn das menschliche Ohr bemerkt es sofort, wenn eine Stimme unnatürlich/komisch klingt. Frage dich bei jedem Schritt: „Hilft das dem Klang, oder wird es zu viel?“ Kleine Anpassungen haben oft die größte Wirkung und sorgen dafür, dass die Stimme natürlich und angenehm bleibt. Daher sind auch folgende Tipps mit Vorsicht zu behandeln:
Wichtige Frequenzbereiche von Vocals
Füllung und Wärme der menschlichen Stimme liegen bei etwa 100 Hz bis 250 Hz. Fehlt deiner Stimme hier etwas an Volumen kannst du breitbandig (kleiner Q-Faktor) entsprechend anheben. Sind Frequenzen im Bereich von 500 Hz – 1200 Hz überrepräsentiert, klingen Stimmen oft nasal. Möchtest du dem entgegenwirken, senke hier entsprechend mit einem mittleren Q-Faktor ab. Darüber hinaus sind Höhen wichtig. Sie verleihen einer Stimme Leichtigkeit, Luft und Durchsetzungskraft! Probiere hier Frequenzen ab 5 – 8 kHz aus, die mit einem flachen Kuhschwanzfilter (High-Shelf-Filter) leicht anheben (0,5 bis 3 dB) kannst. Für mehr Präsenz und Durchsetzungsvermögen deiner Stimme kannst du den Bereich zwischen 2–5 kHz betonen (beachte, dass einige auf Gesang spezialisierte Mikrofone von sich aus so eine Betonung vornehmen).
3. Kompression für einen stabilen und kraftvollen Sound
Wenn deine Vocals im Durchschnittspegel stark schwanken, wird es schwierig, sie im Mix stabil zu halten. Die Lösung: Kompression! Komprimierst du zu stark, kann die Stimme schnell unnatürlich wirken. Aber wie viel Kompression ist ideal? In der Regel reicht eine sanfte Kompression mit einem Ratio von 2:1 bis 4:1 und einer Pegelreduktion um die 6 dB, um den Pegel auszugleichen und die Stimme gleichmäßiger klingen zu lassen. Besonders optische Kompressoren wie der LA-2A eigenen sich aufgrund ihres Pegelverhaltens gut für Vocals.
Beginne mit einem Attack von 10ms – 20ms und einem Release von 40ms – 80ms. Die richtigen Zeiten bei einem Kompressor einzustellen, ist allerdings eine Kunst für sich, denn diese hängen stark vom Genre, dem Songtempo und der Stimme an sich ab. Hier ist also genaues Hinhören gefragt. Soll die Stimme etwas knackiger klingen (z. B. beim Rap), dann sollte der Attack länger gewählt werden, sodass die markanten Einschwingphasen (Transienten) unkomprimiert den Kompressor durchlaufen. Je kürzer die einzelnen Gesangsphrasen sind kann der Release entsprechend kürzer ausfallen.
Letztlich wirst du durch Probieren herausfinden, wie sich die Kompression auf die Klarheit der Stimme auswirkt. Bei den richtigen Einstellungen spürst du, wie die Stimme plötzlich stabiler, kräftiger und ausgewogener klingt, ohne ihren natürlichen Charakter zu verlieren.
4. Automatisierung und Lautstärken-Anpassung
Warum nicht einfach die Lautstärke durch Kompression auf einem Niveau lassen? Komprimiert man nicht deshalb, damit die Vocals in den leisen Passagen des Songs nicht untergehen?
Gerade bei besonders dynamischen Songs müsste der Kompressor bei den lauten Passagen besonders stark komprimieren. Das führt oft zu einem gedrückten und unnatürlichen Sound. So klingt die Stimme dann oft flach und wirkt weniger emotional. Jede Stimme hat laute und leise Momente, denn das ist ganz natürlich. Das lässt sie eben lebendig und emotional wirken. Diese leisen und lauten Momente stehen auch oft im Einklang mit der begleitenden Musik. Durch Lautstärke-Automatisierung kannst du diese Dynamik gezielt steuern und die Stimme an die einzelnen Songabschnitte anpassen. So z. B. ist der Chorus meist lauter und auf der instrumentalen Seite auch voller. Hier kannst du die Vocals also etwas mehr anheben, so setzen sie sich mehr durch. Gehe dabei eher subtil vor. Manchmal reichen kleine Lautstärken-Anpassungen von 0,5 – 1dB. Behalte dabei auch immer deinen Kompressor im Auge, dass deine Stimme durch die höheren Pegel nicht überkomprimiert wird. Gegebenenfalls musst du den Threshold aufgrund des lauteren Pegels nach oben korrigieren.
Teste, wie sich die Automatisierung auf den gesamten Song auswirkt. Am Ende soll die Stimme deine Hörer fesseln, egal, ob sie leise oder laut ist.
5. Hall und Delay: Stimmung schaffen ohne Klangbrei
Hall und Delay sind wie Gewürze: Sie verleihen dem Mix Tiefe und Atmosphäre. Besonders Stimme und Soloinstrumente können durch Hall und Delay wunderbar in Szene gesetzt und in den Mix eingebettet werden. Dabei ist die richtige Dosis der Schlüssel zu einem perfekt klingenden Gesamteindruck. Des Öfteren bekomme ich Mixe zugeschickt, die einfach zu viel Hall aufweisen. Dadurch klingt alles nur noch nach Brei. Hier kommt es darauf an, den Hall sparsam und gezielt einzusetzen. Ein kurzer „Room Reverb“ kann die Stimme runder und wärmer klingen lassen, ohne sie in den Hintergrund zu drängen. Wichtig dabei ist auch das Pre-Delay. Je länger es eingestellt ist, desto später ist die Hallfahne zu hören. Dadurch erscheint uns die Stimme näher. Arbeite hier mit Werten von 20 – 50ms. Darüber hinaus können sich die Frequenzen der Stimme mit denen des Halls unvorteilhaft überlagern. Daher ist es auch wichtig den Hall mit einem EQ zu versehen. Senke die störenden Frequenzbereiche des Halls einfach ab (z. B. Bässe, Sprachverständlichkeitsbereich von 2 – 4 kHz).
Delay (Echo) kann eine tolle Alternative sein, um Tiefe zu erzeugen. Ein dezentes „Slapback Delay“ lässt die Stimme durch die markanten „Early Reflections“ lauter klingen. Darüber hinaus eignen sich am Tempo angepasste Delays besonders um Gesangspausen zu füllen. Gerade bei ruhigen und getragenen Songs wirken punktierte viertel oder achtel sehr episch.
Spiele auch mal mit der Effekt-Lautstärke und den Parametern, bis du den gewünschten Effekt erreichst. Wichtig ist, dass die Stimme immer klar bleiben sollte – frag dich bei jedem Effekt: „Hör ich die Worte noch deutlich, oder geht die Stimme unter?“ Die richtige Dosierung macht hier den Unterschied!
Pro-Hack: Damit das Delay nur an den wichtigen Stellen zu hören ist, automatisiere den Sendpegel, der von deiner Gesangsspur in den Effektkanal führt. Füge zusätzlich auf den Effektkanal deines Delays einen starken Kompressor ein, der per Sidechain durch die Gesangsspur ausgelöst wird. Dadurch wird, sobald die Vocals wieder einsetzen, der Delay-Effekt automatisch leiser und somit in den Hintergrund gedrückt. Diese Technik kann auch als intersannter Effekt auch auf Hall angewendet werden. Probier es mal aus.
6. Extras: De-Essing und harmonische Effekte
Eine gut gemixte Stimme lebt von ihren Details. Hast du manchmal das Problem, dass „S“-Laute zu scharf klingen? Hier hilft ein De-Esser, der diese störenden Frequenzen sanft unterdrückt. Stelle ihn so ein, dass er nur in den störenden Bereichen greift (meistens zwischen 5 – 8 kHz). Behandle dabei die unangenehmen Zischlaute so wie eine Resonanz (vgl. 2.) – der Rest der Stimme sollte klar und unberührt bleiben.
Möchtest du deinem Vocal-Mix mehr Charakter geben? Probiere mal harmonische Effekte aus, z. B. ein dezentes „Sättigungs-Plugin“. Sie verleihen der Stimme Wärme und Tiefe, ohne sie zu stark zu verändern. Zudem kann sich die Stimme dank der angereicherten Obertonstruktur noch besser im Mix durchsetzen. Aber wie bei allen Effekten gilt auch hier: Weniger ist mehr. Frag dich bei jedem Effekt, ob er die Stimme unterstützt oder eher stört.
Zusammenfassung
Eine klare und durchsetzungsstarke Stimme im Mix zu erreichen, ist nicht kompliziert, bedarf aber Übung – und die macht einen bekanntlich zum Meister. Mit der richtigen Balance, EQ-Einstellungen und Kompression lässt sich die Stimme optimal hervorheben. Nutze Hall und Delay gezielt, um räumliche Tiefe zu erzeugen, und setze Lautstärke-Automatisierung ein, um dynamischere Momente herauszuarbeiten. Schließlich helfen dir De-Essing und Sättigung, der Stimme den letzten Schliff zu geben.
Deine Stimme verdient den besten Platz im Mix. Probiere diese Techniken aus und finde heraus, was zu deinem Song passt. Du wirst staunen, wie viel lebendiger und professioneller deine Vocals klingen können!